Mittwoch, 6. Januar 2021
Corona-Impfung: Flüchtlinge und Obdachlose vor Lehrern
Mein Tagebuch – 6.1.2021
Corona-Impfung: Flüchtlinge und Obdachlose vor Lehrern
Das Bundesgesundheitsministerium hat die Reihenfolge der Impfungen festgelegt https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus/faq-covid-19-impfung.html#c19749) Die höchste Priorität genießen dabei über 80jährige, Pflegekräfte und Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen. Das ist nachvollziehbar und macht Sinn.

In der zweiten Gruppe („hohe Priorität“) finden sich u.a. – schamhaft ganz am Ende aufgelistet und so gut wie nicht in der Presse erwähnt - „Personen, die in Flüchtlings- und Obdachloseneinrichtungen leben oder tätig sind“.
Erst wenn diese zweite Gruppe abgearbeitet ist – wahrscheinlich nicht vor Jahresmitte – kommen in der Gruppe 3 („erhöhte Priorität“) Erzieher und Lehrer an die Reihe.

Das ist in vielerlei Hinsicht unverständlich:
Zum einen, weil die Lehrer weitaus vulnerabler als Flüchtlinge sind. Während es sich bei diesen in der Masse um junge Männer handelt https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/flucht/zahlen-zu-asyl/265710/demografie#:~:text=Menschen%2C%20die%202019%20und%20im,Frauen%20haben%20einen%20Asylantrag%20gestellt., wobei 40 % älter sind als angegeben, weil sie sich durch falsche Altersangabe Vorteile versprechen, wie ua mit Kosten von 5.000 €/Monat privat oder in Pflegefamilien untergebracht zu werden https://www.focus.de/politik/gerichte-in-deutschland/studie-zur-altersbestimmung-minderjaehrige-fluechtlinge-40-prozent-geben-bei-einreise-nach-deutschland-falsches-alter-an_id_11146393.html , gehören die meisten Lehrer der Altersgruppe der 50-55jährigen an https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4184/umfrage/altersstruktur-der-lehrkraefte-an-schulen-2005-06/ . 27 % sind gar bis 65 Jahre alt (aaO).

Hinzu kommt, dass Lehrer regelmäßig täglich eine dreistellige Anzahl Kontakte haben, während Flüchtlinge weitgehend in ihrer Blase leben. Gleiches gilt für die Bewohner von Obdachlosenunterkünften.
Und schließlich könnte man auch fragen, wessen Schutz wichtiger ist:
Der eines Lehrers, der unserem Gemeinwesen durch die Ausbildung der Kinder dient, welche die Zukunft sind - oder der Schutz von Asylanten, die – meist auf illegalen Wegen – in unser Land gekommen sind und über Jahre hinweg ernährt und (u.a. von Lehrern) unterrichtet und ausgebildet werden müssen.

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Und wenn die Blase ebenfalls dreistellig ist? Und die Möglichkeit, 1,5m Abstand zu halten, noch seltener eingehalten werden kann als in der Schule? (Ich bin Lehrer, meine Schule hat ein ausgefeiltes Hygiene-Konzept mit versetzten Unterrichtszeiten und getrennten Ein- und Ausgängen für die Schüler und jetzt im Teil-Lockdown kommen Schüler überhaupt nur als Einzelperonen zur Einzelarbeit an Einzelplätzen in die Schule - ich möchte die Flüchtlings- oder Obdachlosenunterkunft sehen, wo derartige Maßnahmen möglich wären.)

Und schließlich zu der Frage, "wessen Schutz wichtiger ist": Wollen Sie im Ernst vorschlagen, Gesundheitsleistungen nach der Nützlichkeit der Patienten für die Gesellschaft zu staffeln? Haben Sie schonmal was vom Solidarprinzip der Krankenversicherung gehört? (Ich jedenfalls erwarte von meiner Krankenkasse, dass sie Leistungen erbringt, ohne vorher bei mir eine moralische Verhaltensprüfung durchzuführen.)

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@damals Ich stimme Ihnen in sofern zu, dass es in den Gemeinschaftsunterkünften für Obdachlose und Flüchtlinge nicht so einfach ist, Abstand zu anderen Menschen zu halten, aber was ist mit den vielen alten Menschen, die zu Hause wohnen und von Pflegekräften, sowie anderen helfenden Personen besucht werden müssen, die auch nicht den nötigen Abstand zu den Alten halten können? Sollten diese besonders gefährdeten alten Menschen, die ihr Leben lang in die vielen solidarisch ausgerichteten Kassen einbezahlt haben, die Impfung nicht vor den jungen Männern erhalten, die schon alleine aufgrund ihres Alters, voraussichtlich gar nicht schwer an einer Infektion erkranken werden?

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Ich glaube, dass das Problem darin liegt, dass es nicht um Schutz für einzelne, bestimmte Menschen gehen kann, sondern das das Virus nur insgesamt, gesamtgesellschaftlich zurückgedrängt werden kann. D.h. die besagten (teilweise jungen) Männer, von denen die meisten vermutlich nicht schwer erkranken werden, sollen nicht in erster Linie deshalb zuerst geimpft werden, damit sie nicht erkranken (das natürlich auch), sondern weil sie als Weiterträger des Virus so gefährlich sind, allein durch ihre große Menge und ihr enges, selten getestetes Zusammenleben.

Insofern dient die Impfung von Flüchtlingen und Obdachosen allen, auch den Alten und Schwachen.

Natürlich sind auch Pflegekräfte als Überträger gefährlich (hab grade von einem Fall im Bekanntnkreis gehört), da sie sehr dicht an viele verschiedene, sehr gefährdete Leute herankommen. Aber zahlenmäßig sind das doch weniger Kontakte und vor allem: Pflegekräfte werden öfter getestet (und sind vermutlich auch aufmerksamer, was Krankheitssymptome an sich selber betrifft). Man muss die Sache halt pragmatisch angehen ...

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@damals
Ich kann mir vorstellen, dass es für jemanden, der in einem System lebt, das der Förderung lernschwacher Schüler eine weitaus höhere Priorität zuweist als der Förderung Hochbegabter (und damit schnurstracks immer weiter in die Mittelmäßigkeit marschiert), der Gedanke an die Bevorzugung der Leistungsträger undemokratisch erscheinen mag.
Aber bitte stellen Sie sich Folgendes vor:

Ein Rettungsboot befindet sich zwei Tagesreisen vom rettenden Festland entfernt. An Bord befinden sich Leute, die rudern wollen und können und solche, die entweder nicht rudern wollen oder können. Es gibt nur ganz wenig Wasser. Wie verteilen Sie das? Folgt man Ihrer Vorstellung, wird das Wasser gleichmäßig verteilt, womöglich sogar unter Bevorzugung der Schwächsten. Folge: Alle werden sterben, denn ohne genügend Wasser ist die Ruderarbeit nicht zu leisten.
Ich plädiere dafür, allein den Ruderern das Wasser zu geben, denn nur wenn sie durchhalten, wird das Boot das rettende Festland erreichen können.

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Wenn Sie das System "Schule" meinen, kann ich Sie beruhigen: Die Förderung lernschwacher Schüler wird hier aus ideologischen Gründen lauthals behauptet, aber tatsächlich stattfinden tut sie unterdurchschnittlich - ebenso wie auch die Förderung Hochbegabter. Insofern haben mit der Herstellung von Mittelmaß schon Recht (und vielleicht ist ja auch genau das die Aufgabe einer "allgemeinen" Schulbildung.)
Um auf Ihr Beispiel zu kommen: Das passt nicht auf die Bekämpfung der Coronapandemie - auch der stärkste Ruderer, auch der engagierteste Erzieher oder Pfleger kann mit seiner Kraft und Gesundheit nicht verhindern, dass sich das Virus ausbreitet, dagegen kann ein vielleicht gar nicht erkrankter Flüchtling, der sich das Virus aufgrund seiner Wohnsituation eingefangen hat, im Supermarkt etliche gefährdete Alte anstecken. Gerade wenn er nicht erkrankt, ist das Risiko besonders hoch. Es geht bei Corona um Ansteckungsgefahr - die für alle gefährlich ist - nicht um Demokratie oder eine Förderung irgendeiner Gesellschaftsgruppe.

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